Erdbebenbemessung in der Aufzugsplanung
Erdbeben in der Schweiz? Tatsächlich ist das Erdbebenrisiko hier nicht zu unterschätzen. Die Schweiz liegt nah an der Grenze zwischen der europäischen und der afrikanischen Platte. Diese Plattengrenze führt zu Spannungen, die gelegentlich in Form von Erdbeben freigesetzt werden.
Die Regionen mit der höchsten Erdbebengefährdung in der Schweiz sind das Wallis, Basel, Graubünden und das St. Galler Rheintal. Regionen ganz ohne Erdbebengefährdung gibt es in der Schweiz nicht. Der Schweizer Erdbebendienst SED registriert im In- und dem benachbarten Ausland im Schnitt drei bis vier Erdbeben am Tag. Die meisten davon sind für die Bevölkerung nicht zu spüren. Ein schadenbringendes Beben ist allerdings nicht ausgeschlossen.
Dabei wächst die Schweiz immer mehr in die Höhe. In den letzten Jahren sind zahlreiche Hochhäuser mit einer Höhe von 100 Metern und mehr hinzugekommen. Der Trend zur urbanen Verdichtung und Vertikalisierung ist ungebrochen. Aufzüge sind dabei ein wichtiges Element für den Betrieb dieser Gebäude.
Was ist Erdbebenbemessung?
Die Erdbebenbemessung bezieht sich auf den Prozess der Planung und Gestaltung von Bauwerken, um deren Sicherheit und Stabilität während eines Erdbebens zu gewährleisten. Bauwerke sollen die bei einem Erdbeben auftretenden Kräfte und Bewegungen aushalten, ohne dass es zu einem katastrophalen Versagen kommt. Die Erdbebenbemessung ist somit ein wesentlicher Bestandteil des Bauingenieurwesens, der Leben retten und materielle Schäden erheblich reduzieren kann.
Auslegung der Aufzugsanlagen unter Erdbebenbedingungen
Anforderungen an die Aufzugsplanung ergeben sich durch den Bauherrn, aus dem Nutzungs- und Bewegungsprofil und aus der Gestaltung des Architekten. Dazu müssen die Aufzugsanlagen bei der technischen Auslegung den geltenden Richtlinien und Sicherheitsauflagen entsprechen.
Die Karte zeigt die Einteilung in Erdbebenzonen des SED. Die Gefährdungsbeurteilung wurde in die Baunorm SIA 261 überführt. Zudem regelt die Norm SN EN 81–77 europaweit die Sicherheitsregeln für die Konstruktion und den Einbau von Aufzügen unter Erdbebenbedingungen.
SIA 261
In der SIA 261 sind unter anderem rechtverbindlich die Einwirkungen und Massnahmen bei Erdbebenfällen beschrieben. Aufzüge zählen im Gebäudekontext als sekundäre Bauteile und hierbei als «Bauteile, die im Falle des Versagens Personen gefährden oder das Tragwerk beschädigen können». Es sind also auch für Aufzüge Vorkehrungen für einen Erdbebenfall zu treffen.
SIA 18/370
Gemäss SIA 118/370 «Allgemeine Bedingungen für Aufzüge, Fahrtreppen und Fahrsteige» ist durch den Bauherrn anzugeben, ob und mit welchen zu berücksichtigenden Werten das ausführende Aufzugsunternehmen die Konstruktion durchzuführen hat.
SN EN 81–77
Welche Massnahmen genau für Aufzüge zutreffen, wird in der Norm SN EN 81–77 erläutert. Diese Norm regelt die Sicherheitsaspekte der Konstruktion und dem Einbau von Aufzügen unter Erdbebenbedingungen. Für die korrekte Auslegung spielt der Faktor Bemessungsbeschleunigung eine entscheidende Rolle. Je nach Höhe dieses Wertes wird die Konstruktion in unterschiedliche Erdbebenkategorien für Aufzüge eingeteilt, welche wiederum unterschiedliche Massnahmen nach sich ziehen.
Es wird in 4 Kategorien unterschieden:
Bemessungs-beschleunigung m/s2 | Erbebenkategorie für Aufzüge | Anmerkung |
ad < 1 | 0 | Die Anforderungen von EN 81–20 und EN 81–50 sind angemessen, daher sind keine zusätzlichen Massnahmen erforderlich. |
1 ≤ ad < 2,5 | 1 | Kleinere Korrekturmassnahmen erforderlich |
2,5 ≤ ad < 4 | 2 | Mittlere Korrekturmassnahmen erforderlich |
ad ≥ 4 | 3 | Beträchtliche Korrekturmassnahmen erforderlich |
Erdbebenkategorien für Aufzüge gem. EN 81–77
Die aus den Kategorien resultierenden notwendigen Massnahmen sind unter anderem (nicht abschliessend):
Anforderungen nach EN 81–77 | Erdbebenkategorie für Aufzüge 1 | Erdbebenkategorie für Aufzüge 2 | Erdbebenkategorie für Aufzüge 3 |
Verhinderung von Verfangstellen | x | x | x |
Notführung für den Fahrkorb | x | x | |
Fahrkorbverriegelungen | x | x | |
Notführungen für das Gegengewicht oder Ausgleichsgewicht | x | x | x |
Schutz der Treibscheiben, Seilrollen oder Kettenräder | x | x | x |
Führungsschienensystem | x | x | x |
Triebwerk und Steuerung | x | x | x |
Zusätzliche elektrische Einbauten im Schacht | x | x | x |
Verhalten bei Ausfall der normalen Energieversorgung | x | x | |
Erdbebenerkennungssystem | x |
Erdbebenbemessung: frühzeitige Einbindung von Aufzugsexperten lohnt
Die beschriebenen Anforderungen und Massnahmen können einen hohen Einfluss auf Kosten und Schachtabmessungen haben. Es lohnt sich daher, das Planungsteam bereits in frühen Planungsphasen mit Expertise in der Aufzugsplanung zu verstärken.
Als zertifizierte Aufzugsexperten unterstützen wir Bauherren und Architekten bereits in der Wettbewerbsphase, spezifizieren die Aufzugsanlagen, schreiben diese herstellerneutral aus und begleiten die Realisierung bis zur Abnahme. Auch bei einer Anlagensanierung beraten wir Sie gerne.
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Jan Thuss
Senior Consultant